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Was bedeutet „virtuell“?

König:
5 Lernen durch die Kraft der Konstruktion: Interventionen auf dem Brett
„Es ist der Akt an sich, das Bauen, die Auseinandersetzung mit den Figu- ren – weg vom Kopf hin zum Tun und dann das: Aha, so sieht das also aus“, (eine Führungskraft am Ende eines Coachingprozesses).
Indem der Kunde sich entschließt, seine Welt zu bauen, wird ein intrin- sisch motivierter Lernprozess in Gang gesetzt. Deci und Ryan (1993) sehen intrinsische Motivation als psychische Energie, die den Menschen in die Lage versetzt, bestimmte Handlungen um ihrer selbst willen durch- zuführen.
Herr Neumeier ist durch den Bauprozess aktiviert. Herr Neumeier hat sein Problemsystem aufgestellt und sieht, wie weit er von seinen Mitar- beitenden weg ist, er sieht, dass sich „etwas“ bewegen muss. Schien er zu Beginn der Sitzung eher gelähmt (Wahrnehmung des Coach) und Hilf- losigkeit artikulierend, so ist schon während des Aufstellens und des ab- schließenden Betrachtens das System in Bewegung gekommen.
Herr Neumeier wird ermuntert, sein Bauwerk von allen Seiten zu betrach- ten. Der Coach begleitet den Kunden, ganz im Sinne der Aporie Sokra- tes ́: „Ich weiß, dass ich nichts weiß!“ (Nelson 1996, S. 21f.). Das sokra- tische Wissen um das Nichtwissen initiiert damit einen dialektischen Weg. Die Neugier des Coaches steht hier im Vordergrund und es geht um die Kunst die passende Frage zum passenden Zeitpunkt zu stellen.
Herr Neumeier erklärt, während er sich seine Aufstellung von allen Seiten betrachtet, dass er seine jetzt aufgestellte Situation aufgrund der deutlich sichtbaren Missstände sehr konfrontierend empfinde. Durch die Konfron- tation werden bei dem Kunden zunächst viele negative Emotionen geweckt, die ihn beschäftigen. Als mögliche Intervention sind Fragen vorstellbar, die darauf abzielen, andere Perspektiven zu entwickeln. Das Refraiming bietet sich an, um das Problem in einen neuen Rahmen zu stellen. Diese Technik ist eine im systemisch-konstruktivistischen Coaching wichtige Intervention, denn es wird versucht oder besser die In- tention besteht darin, problematischen Situationen positive Konnotatio- nen zu verleihen, im Sinne der Umdeutung einer Situation oder einer Handlung. Herrn Neumeier fällt beispielsweise auf, dass die für ihn an- fänglich bedrohlich wirkenden Mitarbeitenden auch viele Kapazitäten be- sitzen.
Eine aktive Hinführung in die Anfänge, die der Kunde als Abteilungsdirek- tor erlebt, führt zu einem nächsten Schritt: Es werden Ressourcen, die in der Vergangenheit wirkten, aktualisiert. Dies geschieht durch eine nächste Aufstellung, auf einem weiteren Systembrett, um die Ressour- cen greifbar zu machen, respektive sich das erinnerte Bild deutlich vor Augen zu führen.
Dem Kunden fällt auf, dass sich seit den Anfängen, also seit drei Jahren, der Bereich und auch er sich grundlegend gewandelt haben. Er fühlte sich zu Beginn größer und stärker als sein Vorgesetzter. Der Aufgaben- berg ist augenscheinlich groß und alle kümmern sich drum. Das habe sich inzwischen verändert. Und: Er habe sich verändert. Auch dieses Bild wirkt konfrontierend und ist mit vielen Fragen versehen. Ressourcen ste- hen im Vordergrund; Themen, die es gilt aufzunehmen und zu reflektie- ren.
Die dann folgende Intervention ist das aktive Umgestalten, respektive das Ausprobieren möglicher und „unmöglicher“ Konstellationen der ge- genwärtigen Situation mit dem Wissen um die deutlich sichtbaren Res- sourcen auf dem Brett der Vergangenheit. In dieser Phase bietet es sich an, dass der Coach durch Veränderung der Aufstellung direkt auf dem Brett Impulse setzt, beispielsweise Figuren versetzt, und damit seine Wahrnehmungen baut, die durch die Schilderungen des Kunden entstan- den sind und sensibel nachfragt, was sich dann in dem Kunden bewegt, ob das Optionen wären etc.
Das gemeinsame Gestalten, das Finden einer passenden Konstruktion durch paradoxe Intervention und passende Fragen unterstützen den Kunden in seiner Leistung die Perspektive zu wechseln. Das kann auf dem gleichen Brett geschehen. Häufig wird jedoch von dem Kunden ein weiteres Brett favorisiert, um das Ausgangsbild weiterhin im Fokus zu halten. Und wie Herr Neumeier, stellvertretend für viele seiner Führungs- kräftekollegen formuliert: „Es ist für mich wichtig, dass das Problemsystem sichtbar bleibt als Warnung und gleichzeitig Motivation, sich weiter zu bewegen. Denn irgendwie geht es ja immer weiter. Das aktive Ansich- arbeiten weicht dann im Alltag wieder anderen und vermeintlich wichtige- ren Themen!“
Herr Neumeier wird sich seiner Themen durch die Aufstellung der Aus- gangssituation noch einmal bewusster und verändert, nach der erkennt- nisleitenden Konstruktionsphase, auf einem zweiten Brett seine Situation Seine große Herausforderung wird es sein, selbst wieder zu wachsen und, wie er feststellt, die Ängste, die er immer wieder hinsichtlich seiner großen Verantwortung empfindet, klein zu halten, denn die Anfangs- euphorie, in welcher er sich groß und besonders stark fühlte, ist einer zu großen Angst gewichen. Er sieht einen Weg und gleichzeitig wird ihm ge- wahr, dass dieser Weg mit umfassenden Umstrukturierungen, persön- lich/beruflich, verbunden ist …
Die bewusste Konstruktion auf dem Brett, das Bauen neuer oder schon lange geahnter Ideen und Vorstellungen in Begleitung eines Coachs bringt Bewegung in das System und wirkt nachhaltig.